Interview* zu Idee und Konzept des Hauses
- Ben, in Deinen eigenen Worten, was genau ist Tautes Heim?
Tautes Heim ist Architektur- und Designgeschichte zum Anfassen. Das denkmalgeschützte Haus ist eine Hommage an den Architekten Bruno Taut und ein Projekt von Liebhabern für Liebhaber. Es Teil der von Bruno Taut Mitte der 1920er Jahre entworfenen Hufeisensiedlung, die 2008 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurde. Nirgends ist das Erbe dieser weltberühmten Ikone des Wohnungsbaus so komplett erhalten und zeittypisch ergänzt wie hier. Unser als Ferienhaus mit Garten mietbares Tautes Heim ist quasi wie ein Museum, das architektur- und geschichtsinteressierte Besucher selbst beziehen und erleben können. Das war uns wichtig, denn wie sonst sollte man Architektur und ihren Nutzwert wirklich vermitteln und wertschätzen können? Wie gut Tauts kluge Grundrisse und mutigen Farbgebungen tatsächlich funktionieren, können unsere Gäste also live und im Welterbe vor Ort erleben. Auch wenn dies kein offizieller Typus ist, kann man also von einer Art "mietbarem Museum" sprechen, das zum Privatgebrauch auf Zeit konzipiert ist. Das Ensemble aus Haus, Garten und Terrasse ist ab drei Übernachtungen verfügbar.
[Anm.: Detaillierte Preisangaben und Infos finden Sie unter der Rubrik Preise + Angebote.] - Was kann man hier im Haus erleben?
Bruno Taut hat als Architekt gleich vier der sechs zum Welterbe geadelten "Siedlungen der Berliner Moderne" entworfen. Diese Leistung unterstreicht seine herausragende Bedeutung für die Architekturgeschichte und den Städtebau in Berlin, Deutschland und Europa. Bemerkenswert ist, dass seine Bauten bis heute nichts an Funktionalität und Strahlkraft verloren haben. Unser ganz im Stil der Zwanziger Jahre gehaltenes Haus will diese Lebensqualität leibhaftig vermitteln und hat daher auch den Charakter einer Zeitreise: Es transportiert die Aufbruchsstimmung in Design, Architektur und Gesellschaft, indem es ein typisches Interior der 1920er bis 30er Jahre wieder aufleben lässt. Und zwar mit durchgängig stimmigen Details und im Kontext der sehr markanten Farbgebung für die Bruno Taut berühmt war. Er schätze, verwendete und propagierte Farbe als "Ausdruck der Lebensfreude" – einer der Punkte, in denen er sich deutlich vom viel-zitierten "Bauhaus-Stil" abhebt. In der Fachliteratur wird Taut daher bisweilen auch als "Meister des farbigen Bauens" tituliert. Älteren Besuchern, Nachbarn und kunstinteressierten Gästen kommen viele Details der Ausstattung bekannt vor. Sie kennen viele Objekte aus Omas bzw. Mutters "Guter Stube", aus Fachbüchern oder – dort aber aus dem Gebrauchskontext gerissen – aus Museen und Designsammlungen. Ein weiterer Pluspunkt des Hauses ist das trotz schneller Verkehrsanbindung an die City sehr grüne und entspannte Umfeld, denn die Hufeisensiedlung gilt auch als ein Schlüsselwerk eines reformorientierten Wohnungsbaus, der ja ein Alternativmodell zu der Enge der damals hoch verdichteten Stadt- und Arbeiterquartiere aufzeigen sollte. Hier geht und ging es immer um mehr als nur Ästhetik oder ein Dach über dem Kopf. Die markante Anlage der Siedlung folgt der damals populären Losung des stadtnahen und gesunden Lebens mit "Licht, Luft und Sonne". Das alles kann man in Büchern, bei Führungen oder in einer rein musealen Präsentation zwar theoretisch vermitteln, aber dabei bleibt trotzdem eine entscheidende Lücke: Es fehlt die leibhaftige individuelle Erfahrung, die wir den Gästen von Tautes Heim mit der Vermietung ermöglichen wollen: Über das Leben vor Ort, mit Blick auf die Apfelbäume vorm Haus und vom Gesang der Vögel geweckt, können Besucher selbst erleben, warum die UNESCO die "Siedlungen der Berliner Moderne" zum Welterbe erklärt hat und worin die Qualität der Taut´schen Architektur liegt. - Wie ist die Idee dazu entstanden und wie habt ihr das dann umgesetzt?
Wir sind beide sehr stark und auf vielen Ebenen für den Denkmalschutz engagiert - allgemein und speziell vor Ort: Meine Frau Katrin Lesser [www.katrin-lesser.de] als Landschaftsarchitektin, Gutachterin und Autorin mit Schwerpunkt Gatendenkmalpflege - ich als Grafik-, Interface- und Ausstellungs-Designer mit Schwerpunkt Zeit- und Kulturgeschichte [www.buschfeld.com]. Wir leben seit 15 Jahren in der Siedlung, sind hier gut vernetzt und kennen entsprechend auch viele Häuser von innen. Als wir das - damals ziemlich heruntergekommen zum Verkauf stehende - Reihen-Endhaus erstmalig betraten, waren wir spontan davon begeistert, wie viel Originalsubstanz hier noch vorhanden war. Bis auf einen [mittlerweile aus Beständen der Siedlung und dank der Spenden zweier Nachbarn wieder neu errichteten] Kachelofen und ein bis zwei Fenstergriffe eigentlich alles. Das ist sensationell und wir haben sofort nach einer Möglichkeit gesucht, das so zu erhalten und wieder erlebbar zu machen. Die Umsetzung ist eine längere Geschichte: 2007 hatten Katrin und ich bereits ein Konzept für eine Website-Datenbank entwickelt. Deren Ziel war es, bestehende Maßnahmenkataloge der Denkmalpflege allgemein verständlich zu übersetzen, um den Bewohnern alle Details zu der denkmalgerechten Erhaltung ihrer jeweiligen Fassaden-, Fenster-, Eingangs- und Gärtentypen selbst an die Hand zu geben. Ein nahe liegender Schritt, den nach Privatisierung der einst städtischen Wohnungsbaugesellschaft GEHAG 1998 wurde ab 2000 sukzessive ein Großteil der knapp 700 Reihenhäuser in Einzeleigentum umgewandelt. Die behördliche Denkmalpflege war mit der Situation völlig überfordert und den neuen Hauseigentümern fehlte es schlicht an Informationen. Meine Idee war es, dieses bereits detailliert erfasste Wissen aus den Regalen und Leitz-Ordnern der unterbesetzten Genehmigungsbehörde zu holen, um es mithilfe des Internets medien- und zielgruppengerecht derart zu vermitteln, dass alle den gleichen unkomplizierten Zugang zu fundierten Informationen haben. Dieses Konzept habe ich dann im Dialog mit dem [auf Siedlungsbau der 1920er Jahre spezialisierten] Büro Winfried Brenne Architekten, Katrin [als Gutachterin und Expertin für die Grün- und Freiflächen] und dem Landesdenkmalamt Berlin immer weiter verfeinert und dann entsprechende Design- und Detailkonzepte erstellt. Gemeinsam mit einigen anderen engagierten Nachbarn haben wir dann wenig später den Verein der "Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung" gegründet, um für diese ziemlich ehrgeizige Projekt Fördermittel zu akquirieren. Diese Akquise zog sich eine Weile hin. 2009 gelang es dann aber im Rahmen des Bundesförderprogramms "Nationale Welterbestätten" eine enstprechende Website mit knapp 2.000 haus- und wohnungsindividuellen Denkmalpflegeplänen auch umsetzen [vgl. www.hufeisensiedlung.info]. - Und dann wolltet ihr wissen, wie die Häuser damals innen aussahen?
Genau. Mit diesem Modellprojekt hatten wir eine – meines Wissens nach mit diesem Grad der Detaillierung – völlig neue Art der Online-Denkmalvermittlung umgesetzt. Gleichzeitig hatten wir hiermit aber auch das theoretische Grundgerüst für alle Details, die für die denkmalgerechte Restaurierung, Ertüchtigung und Instandsetzung der Häuser in der Hufeisensiedlung nötig sind. Aber umso spannender war für Katrin und mich jetzt die Frage, wie sah es damals eigentlich den farbigen, gut erforschten Fassaden aus. Zusätzlich war uns auch klar: so detailliert die Datenbank auch sein mag – nichts würde so direkt und anschaulich kommunizieren, wie ein Modellprojekt, wo alles Instandsetzungen höchst denkmalgerecht umgesetzt wurden. Als ein sehr heruntergekommenes Haus mit viel Originalsubstanz in den Verkauf ging, war dass die Chance, dieses Wissen auch praktisch ins Werk zusetzen. Wir richteten nun also unseren neugierigen Blick auf die Innenräume und fragten uns, was Bruno Taut hierfür geplant oder vorgesehen hatte. Auch das war ein größeres Unterfangen, weil die bauzeitliche Gestaltung der Innenräume Tauts vorher noch nie systematisch erforscht wurde. Alle bisherigen Untersuchungen hatten schlicht an der Wohnungstür Halt gemacht. Hier ist dann die nächsten zwei Jahre sehr viel Recherche und Herzblut rein geflossen. Zunächst haben wir alle nicht bauzeitlichen Schichten entfernt, alles saniert und restauriert, um dann die einzelnen Farbschichten restauratorisch untersuchen lassen. Unser Ziel war es, jeweils die farbenfrohe Erstfassung von 1929/30 wieder herzustellen. Für die Fachwelt am Erstaunlichsten waren hier sicher die vereinzelt rot abgesetzten Streben des Treppengeländers und die blaue Decke in der Küche. Anschließend haben wir weiter recherchiert und fahndeten nach zeittypischen, möglichst originalen Möbeln und Ausstattungselementen. Wenn es nichts passendes gab, haben wir anhand historischer Fotos Objekte nachentworfen und vom Tischler konstruieren lassen. Bis auf die denkmalgerechte Isolierung des Beton-Pultdachs haben wir alle Entwurfs- und Planungsleistungen selbst erbracht und – wo uns möglich – auch viele handwerkliche Arbeiten selbst übernommen. Es gab aber einzelne Bauaufgaben, die wir an spezialisierte Restauratoren und Handwerksfirmen vergeben haben. Das Ganze hat exakt zwei Jahre gedauert. Die so entstandenen Kosten hoffen wir nun über eine längere Laufzeit mit Hilfe der Vermietung als bewohnbares Museum mit Haus, Innenausstattung und Garten wieder reinzubekommen. Da wir keine öffentlichen Fördergelder bekommen haben, ist die Vermietung also zweierlei: Einerseits eine Idee zur noch anschaulicheren Vermittlung, und andererseits eine Art "Geschäftsmodell" für unser quasi rein privat betriebens Museums- und Musterhaus. - Was war die grösste Herausforderung bei dem Projekt?
Eine sich aus dem musealen Anspruch und dem speziellen Geschäfts- und Vermittlungsmodell ergebende Herausforderung bei der Planung war es, die richtige Balance aus modernem Benutzungskomfort und der uns selbst auferlegten sehr denkmalgerechten, weit über alle offiziell Forderungen hinausgehenden Linie zu finden. Im Denkmalschutz wird sehr genau zwischen einzelnen Begriffen wie Renovierung, Sanierung, Restaurierung oder Wiederherstellung unterscheiden. Mit einer reinen Renovierung und Sanierung war es in unserem Fall nicht getan. Der Begriff Restaurierung beschreibt nach Definition des internationalen Museumsverbands ICOM hingegen alle Maßnahmen, die die Wertschätzung, Wahrnehmung und das Verständnis für ein Objekt fördern. Das war genau unser Ziel. In dem Zuge haben wir auch mehrere Möbel selbst entworfen und uns dabei möglichst eng an historische Vorlagen und überlieferte Schwarzweissaufnahmen gehalten. Außerdem mussten wir vor dem Hintergrund der geplanten Vermietung natürlich auch überlegen, wo man heutige Technik (etwa Spülmaschine, Kühlschrank etc.) unaufällig verstecken und geschickt einbauen kann. Eine dritte Herausforderung war die Suche nach historisch fundierten Vorlagen und Original-Ausstattungsstücken. Das ist gerade bei Bruno Taut sehr schwierig, war aber auch sehr aufschlussreich, da er - anders als etwa Le Corbusier, Erich Mendelsohn oder Mies van der Rohe - nicht pauschal, und recht simpel nachzuvollziehen, eine moderne Design-Linie im Bauhaus-Stil propagierte, die dann oft vermögende Bauherren mehr oder minder eins zu eins umsetzen konnten. Bruno Taut, der Architekt von etlichen herausragenden Anlagen des am Gemeinwohl orientierten Wohnungsbaus hat vielmehr versucht, die potenziellen Mieter bei Ihrem gewachsenen Einrichtungsgeschmack und mit Ihrer ja in der Regel bereits vorhandenen Möblierung quasi abzuholen. Von dort wollte er sie dann auf modernere Wege führen. Hier spiegelt sich sehr direkt der Einrichtungsgeschmack der Weimarer Republik und der Übergang zu Moderne und dem "International Style" wider. Diese Ambivalenz und Kontinuität wollten wir auch zeigen. Das Haus ganz puristisch nur mit, erst später zum Mainstream avancierten, Bauhaus Re-Editionen zu möblieren oder - wie sonst in Ferienhäusern üblich - 'pragmatisch, praktisch, ausreichend' mit Energiesparleuchten, Cerankochfeld, Ikea & Co. zu operieren, erschien uns aus historischer und wissenschaftlicher Perspektive falsch und zu einfach. Tatsächlich mussten wir aber auch nach eingehender Recherche nur sehr wenige Kompromisse eingehen. Vom Baulichen her war es dann sehr spannend mitzuverfolgen, wie in der Küche der zur Beginn des 20. Jahrhunderts typische "Steinholzboden" – von einem der letzten sich darauf noch verstehenden Fachleute – nach historischem Rezept angerührt und neu hergestellt wurde. Und dann gab es natürlich - wie bei jeder Baustelle - die beiden typischen Herausforderungen Planung und Bauleitung. Hier steckt die Tücke immer im Detail. Glücklicherweise haben wir aus unserem beruflichen Umfeld her, viele nützliche Fertigkeiten, Kontakte und ein hohes Maß an Vorwissen über die Siedlung einbringen können. Und wir haben uns nicht nur als Paar, sondern auch fachlich gut ergänzt: Katrin als Gartenarchitektin, Wissenschaftlerin und Bauleiterin - ich als Ausstellungs-Designer mit Fotografie-, Programmierungs- und PR-Erfahrung. Wenn das nicht gewesen wäre – und wir diese Leistungen alle hätten einkaufen müssen – wäre Tautes Heim schon rein finanziell nicht realisierbar gewesen. So füllen wir nun mit unserer kleinen Hommage an den Welterbe-Architekten Taut eine Lücke in der Berliner Museums- und Welterbelandschaft und übernehmen quasi eine vernachlässigte Aufgabe der öffentlichen Hand. Gleichzeitig versuchen wir, eine neue Art von Museum zu etablieren, das dem Rechnung trägt, was rein museale Konzepte übersehen: Dass nämlich Architektur und Design ja immer auf die konkrete Nutzung hin entwickelt wird: Ein Designobjekt, das ich nicht benutzen kann, kann ich auch nicht verstehen und vermitteln. - Was gefällt euch selbst am Besten?
Nun, in dem Haus geht es ja viel um Farben. Da haben wir zwei Lieblingsobjekte in Blau: Zum einen der Ofen des zweiten Schlafraums, der mit wunderschön in dunklem Tintenblau glasierten Kacheln verkleidet ist. Zum anderen das intensiv leuchtende und ganz leicht rötliche Kornblumenblau der Schlafzimmerwände. Und das vor allem im Zusammenspiel mit dem von uns nach alten Fotos nachkonstruierten und vom Tischler mit kontrastreichen Bauteilen realisiertem großen Klappbett. Der Blick, wenn man hier morgens aufwacht ist super. Aber auch der Garten mit seiner Mischung aus alten und am historischen Ort nachgepflanzten Obstbäumen, der duftenden Apfelrosenhecke und den Staudenbeeten ist im Laufe des Frühjahrs sehr schön angewachsen. Besonders schön ist es, hier im Frühjahr die Händematte zwischen den beiden dann blühenden Apfelbäumen aufzuspannen. Ein ganz spezielles Stück ist natürlich, last not least, das von Katrin angefertigte, halb ironisch, halb programmatisch zu verstehende Häkelbild "Tautes Heim - Glück allein", das wir zu unserem Motto, Marken- und Domainnamen erklärt haben. Und mein neuestes Lieblingsstück ist ein gerade frisch erworbenes und aufgearbeitetes Bakelit-Radio der Firma Mende von 1932 mit einer schön typografierten Leuchtskala - plus einem an der Rückseite des Gehäuses versteckt eingebautem iPod-Anschluss.
[*] Nachtrag: Diese Transkription entstand 2013, im Zuge eines des Berlin Design Guide (ISBN 978-3-89955-478-6) mit Ben Buschfeld.
Das folgende Video vermittelt einen Eindruck unserer Recherche- und Restaurierungsarbeiten
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